Zum Stand des NSU-Prozesses und den gesellschaftlichen Konsequenzen.
Zum Stand des NSU-Prozesses und den gesellschaftlichen Konsequenzen diskutieren Dr. Anna Luczak (Rechtsanwältin, Nebenklageunterstützung im NSU-Verfahren) und Friedrich Burschel (Rosa-Luxemburg-Stiftung, Radio LOTTE Weimar, NSU-Watch.info).
Seit vielen Monaten tritt der NSU-Prozess auf der Stelle. Auch nach den medial geradezu hysterisch gehypten und dann so dreisten und banalen Aussagen der beiden Hauptangeklagten am Jahresende 2015. Nach 250 Prozesstagen, nach über 60 unverschämt auftretenden Zeug_innen aus der Nazi-Szene und ständigen Ausfällen von Verhandlungstagen bleibt es schwierig, das Verfahren vor dem Oberlandesgericht München einzuschätzen. Ebenso scheint es unmöglich, dies mit dem Geschehen außerhalb des Gerichtssaals in Beziehung zu setzen. Bizarre Ungleichzeitigkeiten des Innen und Außen des Prozesses charakterisieren die Entwicklung: die allerwenigsten Fragen sind beantwortet, geklärt kaum eine der zahllosen Ungereimtheiten. Gesellschaftliche und politische Konsequenzen spielen nicht nur vor Gericht, sondern auch in den unterdessen zehn Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen so gut wie keine Rolle. Im Gegenteil, die Zuspitzung «Dem Inlandsgeheimdienst konnte nichts besseres passieren als der NSU» ist heute gültiger also beim Auffliegen des NSU vor fast fünf Jahren.
Hinter dem Agieren des NSU und seines wohl Hunderte Personen umfassenden Unterstützer_innen-Netzwerks öffnete sich das Panorama des wohl größten Geheimdienstskandals der BRD-Geschichte und eines unvorstellbaren behördlichen Rassismus’ in den Mordermittlungen. Wie weit staatliche Verstrickung in das Geschehen hineinreichte, ist bis heute nicht geklärt, im Gegenteil: ein beispielloser Vertuschungs- und Obstruktionsskandal der unter Verdacht stehenden Behörden (Polizei, Inlandsgeheimdienst, Bundesnachrichtendienst, Militärischer Abschirmdienst usw.) überschattet die Aufklärungsbemühungen der Untersuchungsausschüsse und des NSU-Prozesses.