In der Ausstellung Vorwärts immer. Abriss eines Wohnungsbauprogrammes sind die Zustände der Wohnhäuser in Berlin Mitte und deren Umfeld ab 1984 in all ihrer Tristesse und dem fortschreitenden Verfall in Gegenüberstellung mit den heutigen Zuständen zu betrachten. An über 100 Bildbeispielen wird das Damals und Heute zum Vergleich nebeneinander gestellt.
Fotograf: Klaus Bädicker
- geboren in 1945 Berlin Prenzlauer Berg
- Dipl.-Ing. Baustoffkunde
- ehemaliger Mitarbeiter der Bauakademie der DDR im Institut für Wohnungs- und Gesellschaftsbau, der kommunalen Wohnungsverwaltung Berlin Mitte und der Öffentlichkeitsabteilung eines Wohnungsbauunternehmens in Berlin Mitte
- www.baedicker.de
Als Kernstück der Sozialpolitik beschloss die politische Führung der DDR am 02.10.1973 ein ehrgeiziges, aber damals dringend notwendiges Wohnungsbauprogramm. Ziel war die Errichtung bzw. die Sanierung von 3,5 Millionen Wohnungen, mit Unterstützung zwölf neu gebauter Plattenwerke, bis 1990, um der eklatanten Wohnungsnot Herr zu werden. Um besonders die Situation in Berlin zu entschärfen und schneller voranzukommen, wurde 1984 zusätzlich ein Programm für den innerstädtischen Wohnungsneubau beschlossen. In Berlin Mitte wurden u.a. sechs Baukombinate der DDR verpflichtet, eine der Altbausubstanz angepasste Plattenbauversion der „WBS 70“ zu entwickeln.
Im gleichen Jahr feierte Honecker am Arkonaplatz die zweimillionste fertig gestellte Wohnung des Programms. Die Zielstellung schien folglich im Wohnungsneubau bis 1990 erreichbar. Im Altbau dagegen traten immer größere Probleme auf: zu marode war die Substanz, zu gering die Kapital- und Materialdecke. Bei Mieten von 90 Pfennig/qm bzw. 1,25 Mark/qm im Neubau war nicht ansatzweise einmal genug Geld in den Kassen der kommunalen Wohnungsverwaltungen (KWV) um wenigstens die laufende Unterhaltung der Gebäude zu garantieren.
Dennoch kündigte Erich Honecker 1989 auf dem 40. Jahrestag der DDR die garantierte Erfüllung des Programms im Jahre 1990 an und sprach den sinnigen Satz: Vorwärts immer, rückwärts nimmer. Im so genannten „Scheunenviertel“ nahe der Volksbühne wurde den Bewohnern zeitgleich jedoch klar gemacht, dass sie noch bis mindestens 1991 auf die Lösung ihrer Wohnungsprobleme warten müssten. Ihre alten Wohnhäuser sollten fast vollständig durch Neubauten ersetzt werden. Die Anwohner gingen mit einer Bürgerinitiative in den Widerstand.
Nach der Wende standen deutlich mehr Mittel wie gestiegene Mieten, ausreichend Baustoffe, Bautechnik und vor allem ehrgeizige Politiker zur Verfügung. Und so wurden fast 100% der Gebäude in Berlin Mitte (zumeist zweifach) saniert und Kriegslücken geschlossen.