Zu einer Veranstaltung am 07.10.2023

Am 07.10.2023, gegen 15:30 Uhr, haben Vertreter:innen des Kongresses der Kommunistischen Organisation über Instagram einen Post mit folgendem Wortlaut abgesetzt: In Palästina wächst derzeit der Widerstand massiv an! Die Zäune des Gaza Streifen werden niedergerissen! Dutzende Besatzungssoldaten werden festgenommen! Siedlerkolonialisten fliehen aus den von ihn besetzten Gebieten“ Vollste Solidarität mit dem Widerstand! (Rechtschreibung wie im Original). Der Text auf dem Hintergrund eines Fotos, der eine Anzahl von Personen an einem eindeutig als Innenhof des Franz-Mehring-Platz 1 (FMP1) zu identifizierenden Ort zeigt. Soweit der Sachverhalt. (Veröffentlicht 07.10.)

Zu diesem Sachverhalt haben wir am 07.10.2023 die unten aufgeführte Erklärung veröffentlicht. Aus einer Vielzahl von Gesprächen mit Mieter:innen, Partner:innen sowie aus Nachfragen von deren Unterstützer:innen und Förder:innen konnten wir erkennen, dass Sie in Bezug auf die Reaktion des FMP1 auf die Vorgänge aus der Veranstaltung heraus, die den in den frühen Morgenstunden des Tages einsetzenden Terror der Hamas gegen Israel begrüßten und rechtfertigten, eine Verdeutlichung unserer Entscheidungen und auch öffentlich nachlesbare  Erläuterungen unseres Vorgehens erbaten. Wir haben für diese Forderung nicht nur Verständnis, sondern halten dies angesichts welt- und auch innenpolitischen Entwicklungen und Debatten seit diesem Zeitpunkt für erforderlich.

Es sei vorausgeschickt, dass FMP1 – darauf wird bereits in der Erklärung vom 07.10. Bezug genommen und in Auszügen zitiert – seine Vermietungspolitik für alle Anmietungen, darunter auch von Veranstaltungen Dritter, seit vielen Jahren auf der Grundlage eines verbindlichen Statuts realisiert. Dieses Statut ist unter www.franzmehringplatz.de/vermietung nachzulesen. Auszugsweise zitiere ich hier noch einmal die auch in Bezug auf den 07.10 gültigen Grundprinzipien: `: `FMP1 ist kein Ort für Mieter:innen und Veranstaltungen sowie deren Gäste, die rechtsextreme, rassistische, völkische-nationale oder antisemitische Positionen propagieren.` Das schließt für uns wie in der Erklärung benannt `Aufrufe bzw. Erklärungen zum Einsatz bzw. zur Rechtfertigung von terroristischer Gewalt als Mittel zur Lösung des Nahost-Konflikts` zwingend ein.

Diese Statuten schließen auch ein, dass wörtliche und/oder bildliche Darstellungen, die letzlich eine Unterstützung oder Duldung solcher Positionen durch FMP1 vermitteln, ebenfalls unter diese Festlegungen fallen.

Da die terroristischen Gewaltakte vom 07.10. ohne Wenn und Aber zu verurteilen sind, haben wir die Verletzung dieser grundlegenden Charta  mit dem oben genannten, am Nachmittag des 07.10. bekannt gewordenen Post aus der Veranstaltung als erfüllt gesehen. Auf dieser Grundlage haben wir zunächst unmittelbar die Veranstalter:innen, die mit Abschluss eines Vertrages objektiv und subjektiv Verantwortung für die Einhaltung dieser Prinzipien in ihrer Veranstaltung tragen, mit der Verletzung und deren Konsequenzen konfrontiert. Diese lauten – auch das ist in den Grundsätzen fixiert:  `Die Verletzung des Statuts schließt die zukünftige Durchführung von Veranstaltungen aus…`.  In unserer Erklärung  gegenüber den Veranstalter:innen haben wir auf dieser Basis zukünftige Vermietungen an die Organisation, eventuelle Teilorganisationen, ihre Vertreter:innen oder in deren Auftrag agierende Akteure am FMP1 verbindlich ausgeschlossen.

Am FMP1 werden seit nunmehr 18 Jahren jährlich mehrere hundert Veranstaltungen durch diverse Organisationen, Institutionen, Einrichtungen, Einzelpersonen und Unternehmen mit verschiedenen Intentionen, Positionen und gesellschaftspolitischer Verortung realisiert. So unterschiedlich sie gewesen sein mögen, sie hatten letztlich ihre gemeinsame Grundlage in der Respektierung unserer eingangs benannten Grundsätze. Insofern stellten die Vorgänge vom 07.10. ein auch für die am FMP1 gelebte Praxis `Räume für einen breiten, solidarischen, gesellschaftlichen Diskurs` zur Verfügung zu stellen, eine besondere Herausforderung dar.

Vor diesem Hintergrund habe ich Namens des FMP1 diese Ereignisse und unsere grundlegende Einschätzung dieser noch am selben Tag öffentlich gemacht. Ich habe auch darauf verwiesen, dass FMP1 unabhängig von den genannten Grundsätzen mit seinen gesamten, unterschiedlichen Aktivitäten seine eigenständige gesellschaftspolitische Position bezogen und diese auch nachvollziehbar dokumentiert hat. Dies ist eine wesentliche Grundlage für die bisherige vertrauensvolle Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Partner:innen am FMP1 und weit darüber hinaus. Aus dieser Erklärung hat nd am 08./09.10 zitiert.

Ungeachtet dessen  gilt es der Umsetzung unserer Prinzipien in Zukunft noch intensiver Aufmerksamkeit zu widmen, habe ich in meinem Statement formuliert. Jede andere Schlussfolgerung wäre nicht nur fahrlässig, sondern entspräche vor allem nicht unserer grundsätzlichen Haltung. Ihr Fehlen wäre auch von den vielen Partner:innen, die uns auch weiterhin vertrauen und mit uns zusammenarbeiten, zu kritisieren. Mehr noch, sie ist zu erwarten.

Das heißt nicht nur, dass wir weiterhin bei der Vorbereitung von Veranstaltungen mit den Organisator:innen die Verbindlichkeit unserer Statuten klären, sondern diese auch im Dialog mit unseren Partner:innen, zu denen die Vielfalt unserer langfristigen Mieter:innen gehört, am und außerhalb des FMP1 unter sich zuspitzenden weltpolitischen Krisenprozessen in ihrer Umsetzung weiterentwickeln. Im Falle einer Verletzung dieser Grundsätze werden wir weiterhin so handeln, wie wir es am 07.10. getan haben.

18.10.2023

dr. matthias schindler, geschäftsführer

Erklärung vom 07.10.:

Wie eine große Zahl unterschiedlicher Organisationen, Vereinigungen, Institutionen und Einzelpersonen hat die Kommunistische Organisation die Möglichkeit zur Anmietung von Veranstaltungsflächen am FMP1 genutzt und veranstaltet dort ihren Kongress 2023. Sie trägt die Verantwortung für ihre Veranstaltung und damit auch für deren Inhalte einschließlich von Veröffentlichungen.

Das enthebt den FMP1 nicht, sich zu den Veranstaltern, ihren Veranstaltungen und Veröffentlichungen zu verhalten, insbesondere dann nicht, wenn grundlegende Prinzipien seiner gesellschaftspolitischen Ausrichtung verletzt werden. Dazu gehören neben dem Ausschluss jeglicher Veranstaltungen die rechte, chauvinistische, rassistische Vorstellungen oder den Einsatz von Krieg und Gewalt zur Lösung von Konflikten propagieren auch solche, die Aufrufe bzw. Erklärungen zum Einsatz bzw. zur Rechtfertigung von terroristischer Gewalt als Mittel zur Lösung des Nahost-Konflikts beinhalten.

Mit ihrem Post haben die Veranstalter:innen die geltenden Prinzipien grob missachtet. Das haben Verantwortliche des FMP1 den Veranstalter:innen kurz nach Veröffentlichung klar und unmissverständlich erklärt. Mehr noch mit der Bildwahl haben diese ihre Erklärung in den Kontext des FMP1 gerückt. Das hat zu Reaktionen in den sozialen Medien geführt, die den FMP1 nunmehr in der Erklärungspflicht dieses Posts stellen wollen.

Am FMP1 verfolgen wir seit längerer Zeit sich verengende Möglichkeiten zur Anmietung von Räumlichkeiten für ein breites, diverses, sich links verstehendes Spektrum politischer Gruppen und Diskurse. Für diese bietet FMP1 seit fast 20 Jahren offene Räume. Wir nehmen auch zur Kenntnis, dass in den sich aktuell zuspitzenden multiplen Krisenprozessen die dringend notwendige Debatte innerhalb dieses Spektrums zu teilweise gravierend divergierenden Positionen durch die wechselseitige Forderung nach Ausschluss jeweils kritisierter Gruppierungen bzw. Auffassungen aus diesen Räumen ersetzt werden soll. Dabei werden Forderungen nach Erfüllung einer Wächterfunktion auch an den FMP1 herangetragen. Wir haben auch feststellen müssen, dass aus unterschiedlichen Gründen versucht wird, die Grenzen des diskriminierungsfreien Zugangs zu den Räumen zu Lasten des FMP1 auszuloten. Das werden wir nicht hinnehmen.

FMP1 hat in einer großen Zahl von eigenen Veranstaltungen, Ausstellungen, seinen Kunstwettbewerben, seinen Unterstützungen für solidarische Genossenschaften, vielfältiger Publikationstätigkeit und insbesondere dem Münzenberg Forum (www.münzenbergforum.de) seine eigene Position in dieser politischen Debatte bestimmt und auf aktuelle Entwicklungen mit eigenen Positionen reagiert. Er ist damit klar und nachlesbar verortet.

Die am heutigen Tag von der Hamas initiierte, gewaltsame Eskalierung des Konflikts in der Region, können wir nur als objektiv gegen alle Bemühungen für ein friedliches Zusammenleben und damit auch letztlich gegen die Interessen der Palästinenser:innen gerichtet, betrachten. Das schwächt die Solidarität derer, die unter sich weltpolitisch und regional zuspitzenden Bedingungen friedlichen Lösungen Gehör verschaffen wollen, fordert weitere Menschenleben und verschlechtert die Lebensbedingungen der Überlebenden in der Region. Dafür kann es keine linke Rechtfertigung und Solidarität geben.

FMP1 hat in der Vergangenheit Position bezogen und sich auseinandergesetzt. Er wird dies weiter tun. Er wird der Einhaltung seiner eigenen Prinzipien im Widerstreit diverser linker Positionen noch mehr Aufmerksamkeit widmen müssen. Er kann jedoch die überfälligen, klärenden Debatten nicht ersetzen. Wohlfeilen Ratschlägen, unsubstantiierten Unterstellungen und auf ihn bezogenen Gesinnungstests wird er auch weiterhin kein Gehör schenken.

Berlin 07.10.2023