Es machte klatsch! – da hatte die AfD-Politikerin Beatrix von Storch eine Torte im Gesicht. Es machte klick! – und da war intelexit.org, eine Website für Geheimdienstaussteiger, im Netz. Ein medialer Sturm war das Echo auf Kampagnen wie eine Fake-Pressekonferenz bei Vattenfall (Foto) oder jene um das Portal Fluchthelfer.in, als Urlaubsreisende aufgefordert wurden, Geflüchtete nach Europa zu befördern. Auslöser war Peng!, ein Kollektiv von Künstlern und Aktivisten, die die Welt nicht so lassen wollen, wie sie ist. Tom Mustroph im Interview mit Jean Peters von PENG! über die Kunst des politischen Aktivismus und die Heartfield/Grosz-Ausstellung im FMP1. Im Rahmen der Werkschau Heartfield/Grosz stellte Peng! am vergangenen Dienstag die eigene Arbeit vor.
Jean Peters, bekannt wurde Peng! vor allem das Torten von Beatrix von Storch und die Aktion »Fluchthelfer.in«. Welche direkten Auswirkungen hatte das?
Wir haben bei Fluchthelfer.in miterleben dürfen, wie sich massenhaft Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten auf den Weg gemacht haben und zivilen Pendelverkehr für Geflüchtete organisierten, ganz ohne unser Zutun. Wir bekamen Fotos von Familienzusammenführungen, das war sehr berührend. Mit der Torte ist eine neue Form des Dialogs mit Rechtsradikalen populär geworden, die ich übrigens allen empfehle, die mit solchen Menschen in Talkshows sitzen werden.
Das Torten von Frau von Storch haben Sie selbst vorgenommen. Wie war die Situation?
Die Polizei hat mich vor ca. 30 wütenden AfD-Spitzen geschützt, die alle schnaubend um mich standen. Klar, da war mir schon mulmig und ich hab’ mich sehr gefreut, dass der Staat mich da rausgeholt hat, bevor es eskalierte. Aber es hatte auch etwas Absurdes zu sehen, wie Beatrix von Storch vor der Kamera posierte und das bekannte Creme-im-Gesicht-Foto um die Welt schickte.
Ist Torten ein gutes Mittel der politischen Auseinandersetzung? Hätte etwa auch Donald Trump getortet werden sollen – oder besser noch Hillary Clinton?
Ich denke, es ist der AfD und Nazis gegenüber ein adäquates Mittel, eine klare sahnige Linie, die auch weiter genutzt werden kann, um zu sagen: Stopp. Wer öffentlich darüber spekuliert, ob man nicht auch auf Menschen in Not schießen sollte, gehört in seinen Argumenten nicht rational ernst genommen. Zugleich denke ich, dass wir die nationalkonservative Sehnsucht ernst nehmen und da respektvoll debattieren müssen. In dem Zuge muss man auch fragen, was einen Rassisten wie Höcke mit Nationalkonservativen wie von Storch zusammen an einen Tisch bringt. Ich denke, es wäre vielen gedient, wenn da eine klare Abgrenzung innerhalb der AfD entstehen würde.
Was ist die Bühne von Peng!: das Internet, der Wahrnehmungsapparat der Zuschauer, analoge Realräume?
Unsere Bühne ist die Phantasie der Menschen. Dieses »Man müsste mal« in verzweifelten postmoralischen Verblendungszusammenhängen. Einerseits leben wir in einer Zeit, in der wir mit Informationen zugeballert werden, in der alles möglich zu sein scheint, von Brexit über Trump bis hin zu robotisierter Altenpflege. Zugleich ist der individuelle Zugang zum Versprechen der globalisierten Freiheit immer eingeengter, immer stärker nur einer Elite vorbehalten. Wenn wir in diese komplexe Weltwahrnehmung einsteigen, frage ich mich immer wieder, wie wir diese »Bühne« aus Medien, Phantasie und greifbarer Realität mitgestalten können. So wie Geld einerseits abstrakt ist und andererseits reale Auswirkungen hat, so haben unsere Aktionen auch bei allem Behauptungscharakter immer soziale Konsequenzen. Das ist das Beste, was ich mir von Kultur erhoffen kann.
Wie nachhaltig sind die Kampagnen? Was verändern sie? Und inwiefern haben sie allenfalls satirische Wirkung, eben Dampf ablassen, Entladung durch Lachen, und dann bleibt alles beim Alten?
Das ist von Kampagne zu Kampagne unterschiedlich. Es ist wichtig, darauf zu achten, dass – wie doppelbödig, smart und humorvoll jede Kampagne auch sein mag – das Politische nicht in der Geste verpufft. Das wäre mir zu narzisstisch. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich glaube an die Kraft von Ästhetik und Symbolik, aber es geht auch immer um konkrete soziale und politische Greifbarkeit. Mit »Zero Trolerance« haben wir ein Video entwickelt, das Menschen ihren Trollen im Netz zuschicken können. Sie bleiben damit nicht mehr in der Defensive stecken, wenn sie sexistische Sprüche gegen sich lesen müssen. Bei Slamshell (eine Ölfontänen-Aktion während einer PR-Veranstaltung von Shell, Anm. der Red.) und Google Nest (eine Parodie auf Google-Produkte während der Web-Konferenz re:publica 2014, Anm. d. Red.) haben die Unternehmen Stellung nehmen müssen, und ihr positives Image, das zur Machterhaltung essenziell ist, war kurz lädiert. Unsere Aktionen sind thematisch breit aufgestellt und werden daher segmentiert wahrgenommen. In den jeweiligen Szenen wird dann viel gelacht, klar, und viele Menschen fühlen sich inspiriert. Ich hoffe, dass diese ewige Trennung der sozialen Bewegungen in Ökologie, soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte und vielleicht noch Digitales und Gender überwunden wird.
Was verbindet Peng! mit Heartfield & Grosz? Und was wird das Thema der Peng!-Präsentation in der Ausstellung?
Mich interessiert diese öffentliche Debatte des »Postfaktischen« und der postmodernen Wahrheitsrepräsentation. Ich habe den Eindruck, dass sich politische Wahrnehmung einen Geschmack individuellen Lifestyles bekommen hat. Nach Jahrzehnten der Individualisierung heißt es heute: Ich bin, also meine ich. Und ich meine das, weil ich an etwas glaube. Ich glaube an meine Partei, an die Medienverschwörung, an den Markt, an Mutti Merkel oder an Papa Trump. Komplexe Fakten und Argumente werden dann sekundär. Da grenze ich unsere Arbeit gezielter Desinfomation von der postfaktischen Arbeit ab: Während Peng! bewusst mit Fehlinformationen irritieren und politische Gegner zur Klarstellung sowie das Publikum zur eigenen Positionierung auffordert, zielen die Trumps und Pegidas auf eine kognitive Emotionalisierung und eine Verfälschung der Wahrheit ab. Über diese Themen würde ich gerne diskutieren und klar, ich werde ein paar unserer Arbeiten vorstellen. Was das mit der Ausstellung genau zu tun hat, kann ich nur mutmaßen, denn Heartfield und Grosz lebten in einer anderen Zeit und die politischen Schrecken waren grundsätzlich anders gelagert. Was ich an der Dadaistischen Bewegung aber sehr schätze, ist, dass sie intellektuell kämpfte und sich keinem Ordnungsmuster unterwarf.
Um in der Analogiebildung voranzuschreiten: Was wäre Ihr Malik-Verlag, Ihre »Arbeiter Illustrierte Zeitung«? Und gibt es in Ihrem Umfeld auch einen Münzenberg?
Puh, ein Münzenberg ist schon eine sehr große historische Figur, und dazu bin ich noch sehr parteischeu, weil mich Dogmatik so schrecklich nervt. Aber klar, wir haben unsere künstlerischen und politischen Netzwerke, mit denen wir arbeiten, feiern und weinen. Unsere Zeitung ist das Internet und unser Finanzier auch: Wir haben auf unserer Webseite ein frisches Penguin-Modell eröffnet, wo wir alle einladen, regelmäßig zu spenden und einen Platz in der Penguin Galerie einzunehmen.
Das Interview erschien zuerst in der Tageszeitung “neues deutschland”