DIE MÜNZENBERG LEKTIONEN: Krise und Wandel

»Münzenberg Lektionen«: Zeitung im Jahr 2020

Foto: Jenny Schindler

Ein grundlegendes Marktgesetz besagt, dass nur das Unternehmen überleben kann, das mit neuen Ideen neue Produkte kreiert und damit Umsatz macht. Anders ausgedrückt: Eine Produktpalette, die nicht ständig erweitert, verändert wird, wird irgendwann zum Ladenhüter. Womit wir beim Thema wären: der gedruckten Zeitung. Vor einigen Jahren versuchte ein junges Unternehmen mit einem Produkt namens »niiu« den Zeitungsmarkt aufzumischen. Die Grundidee: Jeder Leser (also Kunde) stellt sich seine persönliche Zeitung zusammen; z.B. den Wirtschaftsteil von der FAZ, die Sport-Seiten von der »Bild« und den Kulturteil vom »nd«. Diese Patchwork-Zeitung wird dann jeden Morgen druckfrisch in den Briefkasten gesteckt. Die Idee war gut, doch das Unternehmen scheiterte; die Kunden (also Leser) wollten nicht für ein Puzzle zahlen, wo sie doch auch das ganze Bild fürs gleiche Geld haben können. Vor einigen Wochen startete »niiu« den zweiten Versuch, diesmal in Form einer individualisierten Zeitungs-App für den Tablet-PC. Die neue Idee hatte also endlich ihr technisches Medium gefunden. Ob »niiu« diesmal Erfolg haben wird, ist dennoch nicht sicher, denn die Zeitung wird, so Martina Stricker, im Jahre 2020 nur eines von vielen Medienangeboten der Zeitungsverlage sein, sozusagen der publizistische Kern, um den herum und mit dessen Hilfe die Verlage ihre anderen Produkte kostenpflichtig anbieten. Am Dienstag stellte die ehemalige Medienmanagerin bei der Springer AG und Gruner & Jahr ihre These bei den »Münzenberg Lektionen« im »nd«-Gebäude vor.

Foto: Jenny Schindler

Die Zeitungskrise sei nicht Folge einer vorübergehenden Konjunkturschwankung, sondern Ausdruck eines Strukturwandels. Die Anzeigenkunden, die traditionell die Haupteinnahmequelle der Zeitungen seien, verabschiedeten sich ins Internet und kämen von dort auch nicht wieder zurück. In Zahlen ausgedrückt: Seit Mitte der 1990er Jahre sinken die Auflagen, gehen die Umsätze zurück; um neun Prozent stürzte der Verkauf am Kiosk allein im ersten Quartal dieses Jahres ab – der höchste Wert in den letzten 20 Jahren! Doch wie lässt sich mit dem Internet Geld verdienen? Bislang nämlich ist weder die Bereitschaft der Nutzer (also der Leser) besonders hoch, für Online-Zeitungsangebote zu zahlen, noch wagen es die Verlage, ihre Online-Auftritte mit einer Bezahlschranke zu versehen. Die ersten, vor einigen Jahren gestarteten Versuche sind kläglich gescheitert. Warum soll man auch für etwas zahlen, das man anderswo günstiger oder gar kostenlos haben kann? Die aktuellen Nachrichten gibt es beispielsweise über die mit GEZ-Gebühren finanzierte »Tagesschau«-App für lau auf das Smartphone oder den Tablet-PC. Und Verlage gieren derzeit nach hohen Klickzahlen, die ihnen die kostenfreien Angebote garantieren und die ihnen entsprechend hohe Anzeigenerlöse im Internet sichern. Auch diese Zeiten werden vorbeigehen, ist sich Stricker sicher. 2020 werde die Printzeitung nur noch »das hochpreisige Premium-Produkt« sein und die Zeitungen ihr Geld mit Bezahlartikeln im Netz und anderen Zusatzangeboten wie Hintergrundbeiträgen, Dossiers etc. verdienen. »Es wird nicht mehr die eine gleiche Zeitung für alle, sondern viele verschiedene Angebote geben«.

Voraussetzung dafür, dass dies von den Lesern auch finanziell goutiert wird, ist allerdings, dass die Qualität der Angebote stimmt. Die Zeitung (online wie Print!) habe nur dann eine Chance zu überleben, wenn sie sich vom Anspruch der unbedingten Aktualität verabschiede, so Stricker. Zeitungen müssten die Nachrichtenflut ordnen, die Geschichte hinter der Nachricht erzählen, pointierte Meinungen und Analysen liefern.Der Blick ins Ausland zeigt, wohin die Zeitungsreise gehen kann. In den USA zum Beispiel gibt es viele Zeitungen nur noch am Wochenende als gedrucktes Exemplar, wer ein Abonnement hat, liest die Zeitung unter der Woche online – und kauft sich wahlweise andere Angebote wie Dossiers, Sondereditionen etc. dazu.

(Text: Jürgen Amendt, Mit freundlicher Genehmigung von “neues deutschland” übernommen, Fotos: Jenny Schindler)